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Bleifreie Zukunft?

AOPA-Letter - June 2010

 

Interview mit Lycoming zu den Themen AVGAS und Flugmotoren

 

Wie bereiten sich die Motorenhersteller auf einen eventuellen Übergang zu unverbleitem Avgas vor? Unsere Kollegen der AOPA USA fragten bei Lycoming Engines nach, wie man dort die Sache angeht.

 

AOPA: Wo liegt Ihr Hauptaugenmerk, wenn es um einen Übergang zu unverbleitem Avgas geht?

Lycoming: Flugsicherheit ist für Lycoming das Wichtigste und steht bei unserer Forderung nach einem 100 Oktan Ersatzkraftstoff an erster Stelle. Ein Flugzeug zu fliegen ist eine komplexe Tätigkeit. Ein Flugzeug funktioniert weil es als ganzes System entworfen wurde, das (a) den Kraftstoff, (b) den Motor, (c) den Propeller, (d) das Flugzeug, (e) den Piloten und (f) den Mechaniker miteinbezieht.
Eine Störung irgendeiner dieser Faktoren kann die Flugsicherheit gravierend beeinflussen. Wenige die Flugsicherheit betreffende Faktoren sind wichtiger als der Kraftstoff, der es den Motoren erlaubt, konstant die für eine verlässliche Flugleistung benötigte Energie zu entwickeln. Ohne einen 100 Oktan Ersatzkraftstoff werden viele ältere und gegenwärtige Produktionsflugzeuge nicht mehr in der Lage sein, den ganzen Leistungsbereich, für den sie entworfen wurden, zu nutzen. Diese Auswirkung auf die Flugleistung ist es, die nach Ansicht von Lycoming das Flugbenzin in direkte Relation zur Flugsicherheit setzt.

 

AOPA: Wie organisieren Sie den eventuellen Übergang zu unverbleitem Avgas intern?
Lycoming: Wir beschäftigen uns auf verschiedenen Ebenen mit diesem Thema. Ganz allgemein haben wir schon seit einiger Zeit mit einer Veränderung gerechnet und haben uns bemüht, bei unseren Kraftstoffgenehmigungen so flexibel wie möglich zu bleiben, wie man auch in unserer Service Instruction 1070Q sieht. Dies sind die drei Schlüsselkategorien unserer Bemühungen.
Erstens arbeiten wir daran, unser Wissen über das Verhältnis zwischen Motoren und unverbleiten Kraftstoffen, das auf den Daten von fast 20 Jahren beruht, kontinuierlich zu erweitern. Viele Lycoming Motoren haben seit 1995 die Genehmigung für den Betrieb mit unverbleiten Flugkraftstoffen. Dies wurde durch die in unseren Motoren verwendeten Materialien und Bauteilen in Verbindung mit mehr als zwei Jahrzehnten Service-Erfahrung ermöglicht – und diese ist die Basis für die nächsten Schritte in Richtung der nächsten Avgas Generation. Zweitens, es gibt eine öffentliche Komponente unserer Strategie. Wir haben der FAA Motoren und Komponenten sowie technische Unterstützung zur Verfügung gestellt, als Hilfe bei der Bewertung von künftigen unverbleiten Kraftstoffen. Und wir haben Lycoming durch unsere fortlaufenden Informationskampagnen über Kraftstoffe und unsere Verpflichtung zu vorurteilsloser und unabhängiger Forschung im Bereich Kraftstoffe in die Öffentlichkeit gebracht. Drittens führen wir neue Motorentechnologien ein. Zusätzlich zu ihren vielen anderen fortschrittlichen Eigenschaften sind sowohl der integrierte elektronische Motor iE2, der jetzt in der Lancair Evolution fliegt, als auch die 233 Motorenserie für Leichtflugzeuge in der Lage, mit unverbleiten Kraftstoffen im niedrigeren Oktanbereich zu fliegen.

 

AOPA: Aus der Perspektive eines Motorenherstellers, was ist für Sie die größte Herausforderung, einen einzigen Kraftstoff für ein zukünftiges bleifreies Avgas zu finden?
Lycoming: Es gibt einige Herausforderungen, die angegangen werden müssen, und der Fokus auf die technischen Aspekte ist nur eine Dimension des Problems. Lassen Sie uns annehmen – und es ist eine große Annahme – dass die Marktnachfrage für einen 100LL Ersatztreibstoff etabliert wurde und dass die notwendigen Kapitalinvestitionen zu den Pionieren geflossen sind, um die Wirtschaftlichkeit zu gewährleisten. Es ist jetzt demonstriert worden, dass Sie die Leistung von 100LL ohne TEL (tetraethyl lead) auf verschiedenen Wegen erreichen können. Die größte technische Herausforderung scheint zu sein, mögliche Materialinkompatibilitäten bei älteren Flugzeugen zu minimieren. Während dies auf den ersten Blick eine schwere Herausforderung ist, ist die Materialwissenschaft eine der sich am schnellsten entwickelnden Gebiete im Technikbereich. Lycoming ist der Ansicht, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit Probleme mit der Materialkompatibilität innerhalb des normalen Wartungszyklus und der Lebensdauer der Teile gelöst werden können. Um in der Lage zu sein, eine 10- jährige Einführungsphase ohne große wirtschaftliche Auswirkungen zu überstehen, sollte in den nächsten ein bis zwei Jahren eine Lösung gefunden werden.