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Eine teuflische Mischung (Devils mixture)


Aviation News - March 2007

Autor: Heimo Kandler

 

Am 16.6.07, schon im Landeanflug auf Landshut, hat der Motor mit ,,blubblub" den Dienst quittiert. Bei einer Entfernung zum Platz von rund 7 km Luftlinie, einer Hohe von 400 m uber Grund und einer Segelflug-Sinkrate von 80-100 m pro Minute hat es dann bis zum Platz nicht mehr gereicht und ich hatte die freie Auswahl zwischen 4 verschiedenen Feldfruchten. Mais (hart und hoch). Raps (hart und dicht), Weizen und Roggen. Letzterer war mir am sympatischsten und ich habe das Feld nach ca. 5 Minuten im Segelflug als Landefeld genutzt.


Gut dass es ein Motorsegler 1st.
Eine  Motormaschine ist ziemlich genau nach 1,5 Minuten am Boden. Und mein Motorsegler ist wegen des Mittelmotors und seines tiefen, zentralen Schwerpunktes auch kein Kopfstandkandidat. AuBerdem s. 72 aviation news 3/2007 sitzt man ja nur 30 cm mit dem Hintern uber dem Boden - auch recht beruhigend. Einmal im Segelflug, steuert man dann eben die Ahrenspitzen wie festen Boden mit rund 85 km/h an und zieht ca. 30 cm uber diesem ,,Boden" den Knuppel schulbuchma'Gig zum Bauch. Genau so habe ich es gemacht und nach rund 30 m war die Landung beendet. Ich nab' dann dem Tower Landshut uber Funk Entwarnung gegeben und bin ausgestiegen. Schaden am Fliegerlein: Rechtes Fahrwerk glatt abgebrochen und Bugfahrwerk weg, weil der Acker ziemlich weich gewesen ist (Gewitter am Vortag mit Starkregen), Ratscher und Dellen am Kabinenunterboden - Ende. Alles andere war unbeschadigt - ich inklu-sive.
Einige Heifer und ich haben dann die Fla-chen abgebaut und den Flieger dann mit 12 Mann auf einen Traktorhanger gehievt. Dann ging's die 2 km zuruck zum Flugplatz Landshut- Ellermuhle.


Eigenartig war nur folgendes:
Nachdem ich den Sprit fur den Rucktrans-port in Kanister abgelassen habe, kam zu-erst glasklarer Sprit. So soil's ja auch sein. Es waren rund 20 Liter (von 66 Litern), die noch in den beiden Fla'chentanks waren. Ganz zum Schluss allerdings kam eine mil-chige Bruhe, FederweiBem, Sauser oder Sturm nicht una'hnlich. Offensichtlich Benzin Super Plus mit irgend einer anderen Substanz darin. Also ab damit in ein Labor der Bundes-wehr (WIWAB/Erding) zur Untersuchung und Analyse. Einige Tage spa'ter war das Ergebnis da. ,,Benzin - ubersattigt mit Wasser". Da ich, wie immer bei der Vorflugkontrolle, am tiefsten Punkt zwei Benzinproben entnommen hatte, die beide absolut klar, sauber und durchsichtig sowie ohne jeden Wasseranteil gewesen sind, war das allerdings ein Ergebnis, mit dem ich eigentlich nicht wirklich etwas anfangen konnte. Denn, wie oben schon aufgefuhrt, kam di-ese ,,wei6e Bruhe" ganz zum Schluss aus den beiden Tanks. Also ein eindeutiger Hinweis darauf, dass dieses ,,Gebrau" nicht schwerer, sondern leichter als Benzin gewesen sein musste. Wasser aber mischt sich nicht mit Benzin, sondern fa'I It sofort (spezifisch schwerer) auf den Tankboden, von wo es dann am Anfang das Tank-system verlassen wurde und nicht zum Schluss! Logisch?! Deshalb habe ich in einem Selbstversuch Super Plus und Wasser in diversen Verhalt-nissen gemischt. Wie zu erwarten, hat sich nach ganz kurzer Zeit das Wasser immer am Flaschenboden abgesetzt und damit vollstandig vom dar-uber liegenden, leichteren Benzin vollstandig getrennt. Eine totale und vor allem stabile Vermi-schung von Wasser und Benzin war unter keinen Umstanden herstellbar. Wie auch -die spezifischen Gewichte unterscheiden sich erheblich.

Deshalb war die Frage - durch welche zusatzlichen Stoffe oder Umstande kann eine stabile Vermischung wie die meiner im Labor abgelieferten Proben erreicht worden sein, die eine undurchsichtige, milchige Emulsion ergeben? Und diese Emulsion musste dann ja auch noch leichter als Benzin sein, denn die Spritentnahmestellen in den Tragflachen-tanks sind an meinem Motorsegler am tiefsten Punkt.
Beim Ablassen kam aber zuerst klarer Sprit,  der also  unten  gelegen  haben muss und erst ganz zum Schluss kam die weiBlich-undurchsichtige Probemenge. Deshalb fiel mein Verdacht auf den drit-ten Stoff - das Ventilschutz-Additiv. Kann also der Bleiersatzstoff als Kataly-sator gewirkt haben, der diese stabile Vermischung erst moglich gemacht hat? Fur mich waren diese Fragen vor allem wegen  der Sicherheit  in  der Zukunft wichtig, denn  ich  mochte unter alien Umsta'nde eine ahnliche Wasser/Benzin-Vermischung und damit einen Motorstill-stand vermeiden.
Wasser und Benzin allein kann es also nicht gewesen sein. Die Molekule ge-hen keine Verbindung ein - so habe ich es zumindest im Chemieunterricht auf dem Gymnasium und in meinem Ausbil-dungsbetrieb, der OMV sowie spa'ter bei der ESSO gelernt. Also habe ich einen weiteren ,,Selbstversuch" gestartet, und das Ergebnis war eindeutig. Wie Sie den Bildern entnehmen konnen, konnte ich exakt die ,,weissliche Mi-schung" reproduzieren, wie sie aus den Tanks ganz zum Schluss geflossen ist. Dazu musste ich nur das Ventilschutz-Additiv mit Wasser in Verbindung brin-gen.
1.  Die Flasche mit dem roten Verschluss beinhaltet nur reines Leitungswasser so-wie ein guter Fingerhut des Additivs !!! Das Ergebnis ist ,,Milch".
2.  Die Flasche mit dem blauen Verschluss beinhaltet Benzin und Wasser sowie ein Fingerhut des Additivs !!! Das Ergebnis ist ebenfalsch ,,Milch".
3.  Die Flasche mit dem lila Verschluss beinhaltet Benzin und Additiv ohne Wasser - keine Trubung - die beiden Flussigkeiten vermischen sich zu einer klaren Flussigkeit, die kaum von reinem Benzin zu unter-scheiden ist.
4.  Die Flasche mit dem weiBen Verschluss beinhaltet nur Wasser und Benzin - die Trennlinie ist deutlich zu sehen, so dass das Wasser auch unten abgeassen wer-den kann. Fur mich ist damit klar, dass erst  der  Anteil  Additiv  (Bleiersatz)   im Benzin quasi als Bindeglied zwischen Wasser und Benzin wirkt, so dass sich das Wasser nicht mehr eindeutig und rasch unten absetzen kann. Damit ist vermutlich auch diese ,,Bruhe" ursachlich fur den Motorstill-stand gewesen, als bei einer 30°- Linkskurve aus dem rechten Flachentank ,,Bruhe" statt Benzin angesaugt wurde. Damit ist meine Konsequenz, eine absolute Warnung an alle Piloten mit alteren Mogasmotoren wie den VW-HB 2400 SP in Bezug auf die Beigabe von Additiven als Bleiersatz auszusprechen.

 

Davon rate ich aus meinem Er-kenntnisstand dringendst ab.
Wasser, und sei es nur Kondenswasser, ist in kaum einem Tank zu vermeiden und weiter auch nicht tragisch, solange es in reiner Form unten am Tank bei der Vorflug-kontrolle abgelassen werden kann. Die ,,Bruhe" aus Wasser, Benzin und Additiv geht aber offensichtlich eine Verbindung leichter a s Benzin ein, so dass bei meiner erfolgten Vorflugkontrolle mit Spritprobe eben nur reines Benzin feststellbar war!!! Eigentlich eine ,,teuflische" Konstellation, mit der ich zumindest nie gerechnet habe. Berglern 23.7.2007 Stellungnahme des Labors, WIWAB, Dr. Sebastian Eibl Benzinpro-be Bericht Nr. 07/75828/00001 -000. Heute erhielt ich vom Labor der Bundeswehr, WIWAB, Dr. Sebastian Eibl folgende Antwort auf meine eMails vom 16. und 20.7.2007: Guten Tag Hr. Kandler, ich war die letzte Zeit nicht anwesend, so dass ich mich erst jetzt melde.
Das ist ein sehr schones Ergebnis, dass Sie bei Ihren Mischversuchen erhalten haben. Und aufgrund der Zusammensetzung des Additivs auch plausibel. Die im Additiv enthaltene Komponente eines alipha-tischen Esters wirkt in diesem Zusammen-hang als so genannter Losungsvermittler. Trotzdem ist meines erachtens noch nicht vollstandig geklart, warum sich die Emulsion (,,trube Bruhe") ausschlieBlich im Tank oben befindet. Vielleicht eine Frage der Durchmischung. Wenn das wirklich viele Flugzeuge/Piloten betrifft, haben Sie sicher recht, eine breitere Offentlichkeit uber dieses Phanomen zu informieren. Vielleicht gibt es ja eine Luftfahrt-Zeitschrift, die sich dafur interessiert. Auf jeden Fall musste man diesbeziiglich den Hersteller des Additivs zu diesem The-ma ansprechen.
Vielleicht schreiben Sie ja eine groBartigen Beitrag und erwahnen uns. Das wurde uns freuen. Noch schoner war's, wenn wir Ihren Beitrag mit ein paar wissenschaftlichen Infrarotspektren untermauern. Dazu habe ich Ihnen unten ein Bild angefugt, das man noch beschriften musste. Das wurde ich im genannten Fall tun.
Nach meinem Gefuhl - ich bin mir nicht sicher - produziert das Additiv eine Firma und die verschiedenen namhaften Firmen kleben nur ihr Etikett drauf. Noch weiterhin viel Gluck und Erfolg mit GruBen aus Erding Sebastian Eibl

 

Schlussbemerkungen
Das von mir verwendete Ventilschutz-Ad-ditiv war von der AGIP bzw. der OMV. Es ist eigentlich ganz merkwurdig - uber den Vorfall nachzudenken, beginnt man ei-gentlich erst am nachsten Tag. Im Moment des Motorausfalls reagiert man eigentlich ziemlich rationell und mechanisch, macht die Dinge, wie man sie gelernt und im-mer wieder geubt hat. Stabiler Segelflug, Geschwindigkeit, Hohe kontrollieren. Ge-lande sondieren. Geeignetes Notlandefeld ausmachen und darauf zuhalten. Dabei auf
Freileitungen,   Ba'ume,  Gra'ben......  achten
und moglichst unbesiedeltes Gelande be-vorzugen. Auch nach der ,,Landung" greift weitestgehend die Ratio. Per Funk Tower verstandigen und sich darum kummern, dass jemand kommt, der den Bomber zer-legen und abtransportieren kann. Bauern ausfindig machen und verstandigen. Vermutlich ist die unbewusste Anspannung so groB, dass der Bauch ausgeschaltet ist und nur das Him mechanisch funktioniert. Ich denke, das ist so eine Art Schutzfunk-tion der Psyche. Und ich bin davon uber-zeugt, dass die einzige Chance, aus so ei-ner Situation heil heraus zu kommen, die beiden R's sind - Ruhe und Ratio.
Erlischt das Motorgerausch und steht der Hobel, druckt man unwillkurlich die Ma-schine leicht an und der Blick geht uber Fahrtmesser und Hohenmesser. Erst der dritte Blick geht nach drauBen auf der Suche nach einer Landemoglichkeit. Und genau diese Reihenfolge ist uberle-benswichtig. Fahrt und Hohe.
Hat man ein Notlandefeld ausgemacht, sollte man auch dabei bleiben und sich auf die Landung dort konzentrieren. Irgendwelche kurzfristigen Manover in Bo-dennahe sind da auBerst kritisch und nur dann gerechtfertigt, wenn sich das Notlandefeld letztendlich als vollig ungeeignet herausstellet (Bach, Graben, Telefonleitung, Stromleitung, irgendwelche Viecher (Kuhe,
Pferde....) Steinblocke.....Aber meist kann
man das schon von einiger Entfernung
ausmachen.
Und egal, was auf diesem Notlandefeld
wa'chst, immer die obersten Spitzen zum
,,Boden" erklaren und kurz daruber abfan-
gen, also Knuppel zum Bauch.
Und es hat funktioniert.
Aber sicher ist auch, dass an diesem Tag meine drei Schutzengel gemeinsam Dienst hatten. Und ich hoffe, ich muss sie in meinem Leben nicht noch einmal be-muhen.
Bauartbedingt hat sich die HB-23 mit Ihrem ,,Mittelmotor" und tiefen Schwerpunkt als perfekte Konstruktion fur eine kontrollierte AuBenlandung erwiesen. Der Schwerpunkt liegt exakt unter den Tragflachen und die geringe Bodenfreiheit la'sst kaum einen ,,Kopfstand"oder Uberschlag zu. Bricht das Fahrwerk weg, rutscht man auf einem Bootsahnlichen Rumpf uber den Boden und kommt nach ganz kurzer Stre-cke zum Stillstand. Der Propeller ist gegen Bodenberuhrung gut geschutzt und die Tragflachen mit den Tanks an oberster Stel-le, aber ebenso exakt im Schwerpunkt. So bleiben die Scha'den gering und sind leicht zu reparieren.
Cc BP, ARAL, SHELL, ESSO, OMV, MWV